Nach der Legende kam im 6. Jahrhundert ein indischer Mönch nach China. Er hatte sich auf den langen Weg gemacht, um in China seine Vorstellung vom Buddhismus zu verbreiten, die man später Chan nennen sollte. Sein Name war Bodhidharma oder abgekürzt Dharma, was «buddhistische Lehre» bedeutet. Später wurde er in China einfach Damo genannt. Er kam mit einem Schiff in der chinesischen Stadt Guangzhou an und machte sich, nach einer Audienz beim Kaiser, von dort auf den langen Weg in den Norden des Landes. Nach einiger Zeit stiess er zufällig auf das buddhistische Kloster Shaolin. Im Shaolin wurden seit vielen Jahren buddhistische Werke aus dem Sanskrit in die chinesische Sprache übersetzt.

Als Bodhidharma dort ankam, befürchtete der Abt, dass die Chan-Lehre des Neuankömmlings die traditionellen Glaubenssätze des Klosters stören könnten. Er wies Damo deshalb an, ausserhalb des Klosters zu wohnen. Damo suchte sich darauf hin eine nahe gelegene Höhle als Unterschlupf und begann dort mehere Jahre zu meditieren. Die Legende erzählt, dass seine tiefblauen, stechenden Augen am Ende seiner neun Jahre währenden Meditation eine klaffende Vertiefung in den Stein gebohrt hatten. Nachdem der Abt dies gesehen hatte, konnte er Damos offensichtliche Autorität nicht länger leugnen.

Damo zog daraufhin als erster Patriarch des Chan in das Shaolin-Kloster ein und erschrak über die nachlässig dösenden Mönche und über die Art und Weise, wie sie ihre Meditation verrichteten. Ihre Muskeln waren schlaff, ihre Körper kraftlos und nicht in der Lage, eine mentale Übung durchzustehen. Damo lehrte seinen Schülern, dass Körper und Geist nicht voneinander zu trennen waren. Die Einheit der beiden Seiten musste für die Erleuchtung gestärkt werden, und die Mönche gewannen an physischer und psychischer Gesundheit, als Damo gezielte Übungen zur Stärkung von Körper und Geist im Kloster einführte. Nachdem Damo 536 – vermutlich an einer Vergiftung – gestorben war, blieben diese Übungen ein fester Bestandteil des Klosterlebens und wurden damit zur Basis der weltberühmten Shaolin-Kampfkünste.

Zu seiner Blütezeit, vor etwa 1300 Jahren, beherbergte der Tempel etwa 1500 Mönche, von denen 500 kampferfahren waren. Der Kaiser Tai Tsung bat den Tempel, eine kleine Truppe von Kampfmönchen auszubilden, auf die er sich verlassen konnte, wenn er in Gefahr war. Der dankbare Kaiser versuchte, diese Mönche zu überreden, als Vollzeit-Leibwächter an seinem Hof zu arbeiten, aber sie lehnten mit der Begründung ab, es sei auch ihre Pflicht, den Shaolin-Tempel und die dort lebenden Mönche zu schützen.

Der Kaiser war überzeugt, dass es eine Beleidigung war, auf diese Weise abgewiesen zu werden, und schickte eine Armee unter der Führung eines abtrünnigen Mönchs, Ma Ning Yee, um das Kloster anzugreifen. Nur wenige Mönche überlebten den Angriff, und der Tempel wurde bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Fünf der überlebenden Mönche machten sich auf den Weg, um ein neues und besseres Kampfkunstsystem zu erfinden.

Die Mönche begannen, die Grundsätze dieser neuen Kunst zu entwickeln, doch bevor sie in die Praxis umgesetzt werden konnte, wurde der Tempel erneut überfallen, wobei viele Mönche ums Leben kamen.

Eine der Entkommenen war eine buddhistische Nonne namens Ng Mui. Sie war die Älteste und am besten im Boxen bewandert. Mit ihrem erworbenen Wissen und mit Hilfe einiger Unterlagen, die von den ermordeten Mönchen geschrieben worden waren, unterrichtete sie ein junges Mädchen mit dem Namen Yim Wing Chun (Schöner Frühling), der für die Hoffnung auf die Zukunft steht. Das System wurde später nach ihr benannt.

 

 

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